Gentlemen

Die Gentlemen bitten zur Kasse                               Stand: 2011

Eine ganz alte Grundregel der Menschheit, die ich früher in jungen Jahren schon erkannt habe, lautet: Auf die Zusammenhänge kommt es an. Zusammenhänge jedweder Art bilden Schnittpunkte, an denen sich Menschen oder bestimmte Schicksale kreuzen, die normalerweise bei grober Betrachtung eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Erst diese Zusammenhänge sorgen dafür, dass bestimmte Menschen, bestimmte Dinge, bestimmte Schicksale für andere Leute dann doch interessant werden. Ein sehr anschauliches Beispiel für solche Zusammenhangskonstellationen gab es hier neulich.

Ich weiss nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, es ist nämlich schon ein Weilchen her, genauer gesagt führt uns das maßgebende Ereignis ins Jahr 1963 zurück. Am 8.8.1963 fand gegen 3 Uhr am Morgen bei Cheddington in England der große Überfall auf den Postzug statt. Das war bis heute wohl der spektakulärste Geldraub aller Zeiten. Der machte damals weltweit über mehrere Jahre Schlagzeilen, immer wenn von einem der vermeintlich beteiligten Räuber einer gefasst wurde, flüchtete oder neue Details zum Raub preis gab, blühte das Thema in den Schlagzeilen wieder auf. Man kann sicherlich sagen, dass die ganze Planung und Durchführung dieses Raubüberfalls schon eine Klasse für sich war, wie man sie normalerweise von Ganoven nicht erwarten würde. Die strategisch ausgefeilte Planung und die eher gewaltlose Durchführung, wenn man mal von einer Attacke auf einen Lokführer absieht, erzeugten überall Anerkennung, auch wenn man ansonsten gewiss nicht mit Dieben sympathisiert. Natürlich spielten solche Sachen, wie zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Möglichkeiten zu haben, eine große Rolle, denn so extrem viel Geld wie an diesem einen Tag war ja nicht immer in dem Zug und normalerweise hätten die gepanzerte Wagons gehabt, aber ausgerechnet in der Zeit nicht, weil die Sicherheitswagons defekt waren und durch normale Wagons bis zur Reparatur der anderen ersetzt wurden. Und dann vor allem, dass die Diebe das Glück hatten, auf einen Informanten zu stoßen, der genau das alles wusste. Hier in Deutschland wurde die Geschichte noch bekannter, weil etwa 2 Jahre nach dem echten Überfall die Story nach dem Tatsachen - Bericht eines Journalisten zu einem Drehbuch für einen mehrteiligen Kriminalfilm umgearbeitet und verfilmt wurde. Wer kennt ihn nicht, den Fernsehkrimi „Die Gentlemen bitten zur Kasse“, in dem u.a. der beliebte und 2008 verstorbene Horst Tappert eine der Hauptrollen spielte? Auch der damals sehr bekannte und bereits 1991 verstorbene Günther Neutze spielte eine weitere Hauptrolle, um den wurde es aber später immer ruhiger, während der Horst Tappert ja als Inspektor Derrick für Jahrzehnte auf den Bildschirm zurück kehrte. Beide waren großartige Schauspieler, von denen man gerne noch mehr gesehen hätte. Überhaupt, die ganze Besetzung von diesem Film war mit ausgesucht guten Leuten sehr gelungen. Nach meiner Auffassung, obwohl das alles schon sehr lange her ist, ist das bis heute der beste Fernsehkrimi, der jemals gedreht wurde, auch wenn vielleicht die Methoden so was zu drehen damals noch deutlich primitiver waren, als heute. Aber worauf ich hinaus will, das ist jetzt nicht der daraus entstandene Fernsehkrimi, sondern der echte Postzugüberfall. Hier gab es neulich, kurioser Weise im Foyer einer Bank, eine große einwöchige Ausstellung zu diesem größten Geldraub aller Zeiten. Da waren etwa 25 bis 30 große Fototafeln aufgestellt, wo die echten Schauplätze mit Fotos aus damaliger Zeit gezeigt wurden, abgerundet mit Skizzen, Fotos, Lageplänen, Fotos von dem alten Bauernhof, wo die vorübergehend unterkrochen, als Gegenüberstellung gab es auf einer anderen Tafel dann Fotos von den echten Postzugräubern und ihrem Schauspieler - Pendant aus dieser oben angesprochenen deutschen Krimireihe. Immer ging diese Gegenüberstellung nicht auf, z.B. weil es 3 echte Postzugräuber gab, die bis heute nie entlarvt worden sind. Leicht verwirrend war anfangs zudem, dass die echten Postzugräuber andere Namen hatten, als sie im Film verwendet wurden. Früher wurde es fälschlich häufig so dargestellt, dass der echte Räuber Ronald Biggs der Kopf der Bande war, was aber wohl totaler Käse ist, der war in Wahrheit nur das führende Mitglied dieser im Fernsehfilm als Fullham-Boys bezeichneten Helfertruppe aus 3 ehemaligen Kleinkriminellen. Die gesamte Truppe bestand aus 16 Leuten. Der wirkliche Kopf, der also im Film von Horst Tappert als Michael Donegan dargestellt wird, hies im Original demnach Bruce-Richard Reynolds. Ich fand das alles sehr interessant und habe es mir gleich 2 mal innerhalb dieser Ausstellungswoche genauestens angesehen und alles durchgelesen, was dort erläutert wurde. Natürlich drängte sich bei mir dann bald die Frage auf, warum macht man ausgerechnet in dieser Bank jetzt eine Ausstellung zu diesem Thema? Ich meine, für eine 50jährige Erinnerung daran wäre es noch 2 Jahre zu früh, auch dürfte die Thematik eines Geldraubes eher im entgegengesetzten Interesse einer Bank liegen und warum ausgerechnet hier? Was hat hier diese Gegend mit dem doch recht fernen Geldraub in England zu tun, der zudem noch in relativ ferner Vergangenheit statt fand? Da fehlen einem doch jegliche Verbindungspunkte, ausser dass es zweifellos hochinteressant ist. So dachte ich mir, es muss doch irgend einen tieferen Grund geben, warum man das ausgerechnet dort macht, weil sonst mein Weltbild mit den Zusammenhängen zumindest in diesem Punkt nicht gepasst hätte. Auf den Ausstellungstafeln fand ich zunächst keine Antwort auf diese Frage. Als ich das zweite mal, am letzten Ausstellungstag noch mal dort war und sicher schon über eine Stunde mir reihum wieder diese ganzen Dinge mehrfach ansah und regelrecht aufsog, kam ein wohlgekleideter Herr von der Bank vorbei und ihm war aufgefallen, dass ich mich intensiver für die Sache interessiere, als viele andere Leute, die oft nur vorbei huschten. So kamen wir etwas ins Gespräch und da konnte ich ihm dann die Würmer aus der Nase ziehen, wie man so sagt, was die von mir schon vermuteten Zusammenhänge betrifft. Es stellte sich nämlich raus, dass ausgerechnet eine Verwandte des früheren Gründers dieser Bank, irgendwie mit in der Sache steckte. Aber nur über drei Ecken, wenn man so will und auch nicht schuldhaft. So ganz genau habe ich es nicht behalten, aber es muss wohl einen englischen Anwalt gegeben haben, der zwar an dem Raub damals selbst nicht beteiligt war, der aber irgendwelche Geschäfte für die oberen der Ganoven abgewickelt hatte. So veranlasste der den Kauf des alten Bauernhofes, in dem die Bande einige Tage vor und nach dem Überfall gehaust hatte. Dieser englische Anwalt hatte seinerseits wohl eine deutsche Frau geheiratet und ausgerechnet deren Schwester war die Frau des früheren hiesigen Bankdirektors. Diese Schwester, also die Frau des Bankdirektors, war exakt ein Jahr vor der Ausstellung verstorben und zu deren Gedenken hatte man ein Jahr danach diese Ausstellung hier gemacht, weil es bereits zu deren Lebzeiten ihr Wunsch gewesen war, dass mal eine Ausstellung zu dieser Geschichte hier in Deutschland gemacht würde. Und schon stimmte meine Welt der Zusammenhänge wieder !

Originalschauplatz die Brücke heute

links: der Originalschauplatz in der Nähe von Cheddington auf einem Foto, wie es dort heute aussieht (Foto abgeknipst von der Fotowand der Ausstellung im Foyer). Im Jahre 1963 dürften die Büsche und Bäume am Rand sicherlich noch nicht gestanden haben.

Diesen Artikel gibt es auch in etwas anderer Aufmachung im PDF - Format:

Hier klicken ! Gentlemen - Lappenkeuler - Artikel von 2011 als PDF

 

 

 

.